NOT A PAINterEkachai Eksaroij18.11.18.12.2016

Kunsthalle Willingshausen

Katalog bestellen

In dem kleinen Atelier, das den Stipendiaten während des Arbeitsaufenthalts im Gerhardt von Reutern Haus in Willingshausen zu Verfügung steht, warten eine Reihe von Kleiderpuppen brav aufgereiht, dass sie endlich in die Kunsthalle können. Ungeduldig werden sie dort übereinander her stürzen und einen eigenwilligen Berg bilden. Einige werden das Privileg haben, aus der Hand von Ekachai Eksaroj frisch geschneiderte Hemden zu tragen. Er hat ihnen Streifen appliziert, die das im Dorf und der Region vorherrschende Fachwerk zitieren.

Dieses Fachwerk – allerdings aus sehr dünnen Leisten – ist auch auf eine Reihe von Bildern unterschiedlichsten Formats montiert. Es trägt nichts, bildet eher eine Art Zaun, ein ornamentales Gitter oder ein Kompositionsgerüst für etwas auf den Bildern – das allerdings fehlt. Denn die Bilder zeigen „nur“ grüne oder blaue Flächen, die Himmel oder Wiese, also Landschaften assoziieren. Für diese Malereien hat Ekachai Eksaroj Stofffarben benutzt als seien die Leinwände handbemalte T-Shirts.

 Ekachai Eksaroj, das zeigt dieser erste Blick in die Ausstellung, arbeitet ganz nah an dem, was ihm der Ort bietet. Aber er liebt das Umspringen von einem offensichtlich Gemeinten in völlig andere Assoziations- und Empfindungsräume, Bezugs- und Bedeutungsräume. Ironie und Witz helfen ihm dabei, Irritationen zu stiften.

 So nennt er seine Ausstellung „NOT A PAINter“ – wieder eine solche Öffnung des Wortes „painter“, (engl.) = Maler. „pain“ bedeutet: Pein, Schmerz, Kummer aber auch Leiden und Strafe; „take pains“ heißt: sich Mühe geben; das Ergebnis kann dann „painfull“, also peinlich sein. Und „be a pain in the neck“ bedeutet: einem auf den Wecker gehen. Was davon alles trifft auf den Maler und die Malerei in einer Malerkolonie wie Willingshausen zu?

Ekachai Eksaroj hat mit einer früheren Arbeit vorgebeugt: „good art next door“(2012) steht in bunten Lettern auf einer Fußmatte. Nur, diese Tür gibt es nicht. Betritt man doch den Ausstellungsraum, trifft man z.B. auf Regalbretter oder verchromte Haltestangen, die sauber übereinander aber nicht ganz gerade angebracht sind und an (schlecht installierte) minimalistische Arbeiten von Donald Judd erinnern. Gleichzeitig spürt man ein leichtes Ungleichgewicht und entdeckt, (am waagerecht montierten Heizkörper), dass der Fußboden an einer Seite leicht angehoben ist. In einem suchttherapeutischen Zentrum in Bremen hat er jüngst den Vergaberaum in eine Hotellobby verwandelt, indem er den Weg zu dem Tresen, an dem die  Substitutionsmittel vergeben werden, mit roten Teppichen und Absperrungen aus goldenen Ständern mit dicken roten Kordeln gekennzeichnet hat. An der Decke hängt ein Schwarm von Überwachungskameras, die munter in alle Richtungen blinken als sei gerade Disko.

Ekachai Eksaroj hat vor seinem Kunststudium in Kassel und Braunschweig Modedesign in Berlin studiert und betreibt inzwischen in Kassel nicht nur eine eigene Galerie mit Namen LAGE, sondern auch mit LAGE sein eigenes Label. Seine Kunst also hat viele Quellen und Richtungen.

So sind seine Kleiderpuppen und das Fachwerk von Hunger hervorrufendem Duft umgeben. Denn Ekachai Eksaroj ist auch ein Koch-Künstler. Zur Eröffnung wird er die Ausstellungshalle in eine Art „Department Store“ im Sinne von colette in Paris oder DOVERSTREETMARKET in London umgestalten, wo Produkte aus Mode, Produktdesign und Kunst vereint sind, die aber auch Essen und ausgewählte Getränke anbieten. Die Willingshäuser Kunsthalle wird zu einem kleinen StreetFood Markt, ein „Talat Rotfai“, wie es ihn in Bangkok, seiner Heimatstadt, gibt. Der Ausländer (aus Thailand) Ekachai Eksaroj wird aus der heimischen Quitte einen eigenwilligen Cocktail mixen und interkulturell-kulinarische Erfindungen anbieten, die z.B. den in der Region legendären „Platz“ mit der Frühlingsrolle verschneiden. Wer das nachkocht, ist dann auch: „NOT A PAINter“.

Text: Bernhard Balkenhol
Bild: Ekachai Eksaroij, Holger Jenss

ekachaieksaroj.de