die crux mit dirMartha Frieda Friedel1.4.22.4.2021

Kunsthalle Willingshausen

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“Mein Herz ist tot“ steht als Graffiti auf einer Schallschutzmauer zur Bahntrasse gepinselt. Und was sagt der Kopf dazu? „der Kopf sagt OK“, wobei das „OK“ rückwärts geschrieben ist. Wie ein Fähnchen, je nach Fahrtwind also, wechselt die Antwort zwischen „KO“ und „OK“. Das war eine der ersten „Entdeckungen“, die Martha Frieda Friedel auf ihren Touren durch die Schwalm nach Willingshausen anhalten und den Fotoapparat zücken ließ. Sie sucht explizit nach etwas, das von der Norm abweicht, indem es sich in Sinn, Wirkung und Bedeutung verdrehen lässt, mehrdeutig und widersprüchlich wird.

„die Crux mit dir“, so nennt Martha Frieda Friedel ihre Ausstellung, ist in ähnlicher Weise irritierend. Wen meint sie „mit dir“, den oder das Gegenüber, der oder das auf den zweiten Blick nicht mehr eindeutig ist, oder sich selbst, die in Widersprüche gerät bei ihrer Arbeit. Sicher ist, dass sie immer ein sehr entschiedenes Bild herstellt, das aber keine Lösung ist, sondern die erwartbare Norm bricht. So ist der Bürgermeister von Willingshausen auf ihrem Bild in der Ausstellung nicht nur – nicht mehr er selbst, sondern mindestens genauso viel das zweifelnde Interesse und Hinsehen der Künstlerin. Das Bild entsteht also genau im Schnittpunkt dieser Begegnung. Damit müssen beide umgehen (können). Das ist die Crux.

Manches, was Martha Frieda Friedel findet, ist zufällig, aber einem künstlerischen Interesse unterlegen, das treffsicher ist. Besonders die Menschen, die sie darstellen will, sucht sie sich sehr genau aus. Und sie schafft es. Sie vor der Kamera genau in diesen Selbstwiderspruch zu bringen, in sich selbst und gleichzeitig die Fotografierende – die Betrachtenden anzuschauen. Das ist sehr eindrucksvoll, auch weil sie fotografisch ungeheuer präzise arbeitet. Denn erst in der spezifischen Gestaltung als Bild schauen die „Entdeckungen“ zurück, gehen über sich hinaus und werden zur Metapher.

Und so geht es in der Ausstellung von Martha Frieda Friedel mit Fotografien und Videos – wie fast allen StipendiatIinnen – natürlich um den Ort ihres Arbeitsaufenthaltes, Willingshausen – aber vielleicht auch um was anderes.

Crux ist übrigens auch ein Sternenbild: Das „Kreuz des Südens“ ist eines der kleinsten, jedoch sehr auffällig – wie Willingshausen. Martha Frieda Friedel hat es dort am Himmel gesucht, weil es hier auf dem Land weniger Lichtverschmutzung gibt als in der Stadt.

Text: Bernhard Balkenhol
Bild: Martha Frieda Friedel
Video: Ringer

www.martha-friedel.de